Schlechte Noten für Chefs

Written by Admin. Posted in News

So lautete die Überschrift eines „alarmierenden“ Artikels im „Super Sonntag“ vom 27.10.2013, also dem Wochenblättchen, das jeden Sonntag bei mir im Briefkasten herumflattert. „Knapp die Hälfte der Mitarbeiter in deutschen Unternehmen hat einer Umfrage zufolge schon einmal wegen eines Vorgesetzten gekündigt“ und „20 Prozent gaben an, sie hätten mit dem Gedanken gespielt“ lese ich beim Frühstück. „Fast 70 % … fühlen sich zudem von ihrem Chef unter Druck gesetzt oder kontrolliert.“

Diese Studie zieht natürlich meine Aufmerksamkeit auf sich. Die Ergebnisse stammen aus einer aktuellen Umfrage des Nürnberger Beratungsunternehmens „Information Factory“. Die produzieren wohl Informationen industriell, schießt es mir bei dem Namen spontan durch den Kopf. Aber gucken wir uns die Studie doch einmal genauer an. Auf der Website der „Information Factory“ (www.information-factory.com) finde ich einen Link zum Booklet „Deutschland führt“.

Darin ist zu lesen, dass die Studie mit 852 Teilnehmern, davon 392 Mitarbeiter, 274 Führungskräfte und 169 Personaler, von der Information Factory Deutschland GmbH und den Partnern Personalwirtschaft und stellenanzeigen.de durchgeführt wurde.

Über die Art und Weise, wie die Befragten ausgewählt wurden oder über den Befragungsweg wird nichts geschrieben. Ein Hinweis auf die mangelnde Repräsentativität fehlt ebenfalls. Ich halte an dieser Stelle einmal für alle Leser fest: Sie dürfen davon ausgehen, dass es sich um eine nicht repräsentative Studie handelt. Insofern nehmen Sie die getätigten Aussagen bitte nicht allzu ernst, wobei dieser Hinweis nicht nur aus der mangelnden Repräsentativität resultiert.

Im Text ist Folgendes zu lesen: „Rund 68 % der befragten Mitarbeiter fühlen sich von ihrer Führungskraft unter Druck gesetzt, verunsichert und kontrolliert.“, wobei die Unterstreichung im Text nicht zu finden ist. Den weiteren Ausführungen ist zu entnehmen, dass dieses Ergebnis als äußerst negativ bzw. kritisch bewertet wird, Alarmschlagen ist schließlich schwer in Mode.

Das entsprechende Item, dem die Befragten zustimmen konnten oder nicht, findet man in einer Grafik und lautet (also zumindest vermutlich, denn so genau wird die Studie dann doch nicht beschrieben): „Führungskräfte setzen unter Druck, verunsichern oder kontrollieren“.

Zwar handelt es sich sowohl beim „Und“ als auch beim „Oder“ um Konjunktionen, allerdings zeigt das „Oder“ an, dass mindestens eine der Aussagen wahr ist, während das „Und“ die logische Konjunktion beschreibt, dass alle Aussagen wahr sind. Das mag zwar nur ein kleiner sprachlicher Unterschied sein, hat jedoch eine ziemlich große Wirkung. Aber das nur am Rande.

Folgt man der allgemeinen Management-Auffassung, gehört Kontrolle weiterhin zu den zentralen Managementaufgaben. In der von den Befragten zu bewertenden Aussage wird – wie eigentlich heutzutage fast schon üblich – die schlechte Führung in Deutschland verbal zum Ausdruck gebracht. Wir leben in einem Land, in dem Führung die Mitarbeiter nur noch verunsichert, unter Druck setzt und kontrolliert. Es ist eigentlich kaum vorstellbar, wie der Laden „Deutschland“ laufen müsste, wenn wir gute oder vielleicht auch nur etwas bessere Führungskräfte hätten.

Aber zurück zur Studie. Man könnte durchaus die Frage aufwerfen, warum der Wert mit Blick auf die zentrale Managementaufgabe „Kontrolle“ anstelle von nur 68 % nicht bei 100 % liegt. Müsste die zentrale Managementaufgabe nicht von allen Mitarbeitern bemerkt werden?

Ganz nebenbei bemerkt, Kontrolle ist nichts Negatives! Es kommt vielmehr darauf an, wie kontrolliert wird und wie das Ergebnis der Kontrolle zurückgespielt wird. Aber der Gutmensch verpönt lieber die Kontrolle und schreit zugleich nach Feedbackkultur – wie das auch im Booklet der „Information Factory“ praktiziert wird.

Ich stelle mir die Frage, wie man bitte seinen Mitarbeitern ein fundiertes und nachvollziehbares Feedback geben will, wenn man nicht kontrolliert. Vielleicht so:

  • Chef zum Mitarbeiter: „Sie müssen bitte etwas sorgfältiger arbeiten.“
  • Mitarbeiter: „Warum? Ich liefere doch eine Spitzenqualität!“
  • Chef: „Ich habe mir am Wochenende beim Frühstück in Vorbereitung unseres Mitarbeitergesprächs überlegt, dass die von Ihnen durchgeführten Marktforschungsstudien häufig qualitative Defizite aufweisen; also von wegen wissenschaftlicher Anspruch, Gütekriterien wie Validität und so. Ach, Sie wissen schon, was ich meine. Ich kann das jetzt an nichts Konkretem festmachen, das ist halt mehr so ein Gefühl. In unserer Unternehmenskultur ist Kontrolle ja verpönt. Sie sind in Ihrer letzten Studie ja auch zu diesem Ergebnis gekommen. Aber glauben Sie mir, in Bezug auf die Qualität, da können Sie sich sicher sein, da geht noch was, da können Sie sich noch deutlich verbessern.“

Führungskräfte dürfen übrigens ab und an verunsichern, auch das gehört zur Realität. Wir leben nicht in hundertprozentiger Sicherheit. Natürlich müssen Führungskräfte auch Sicherheit geben. Die Herausforderung guter Führung liegt darin, die vielfältigen Spagate (Kontrolle-Freiräume, Sicherheit-Unsicherheit, Kosten-Nutzen, Beziehung-Aufgabe etc.) zu meistern – das macht gute Führung aus!

Aber in besagter Studie wird pauschal zunächst einmal das Grauen der Kontrolle in den Vordergrund gerückt. O weh, meine Führungskraft kontrolliert mich!

Beinahe lustig wirkt sodann der folgende Hinweis: „Um Leistung zu entwickeln, muss sie sichtbar werden. Mit regelmäßigen Leistungsbeurteilungen bekommen Mitarbeiter, Führungskraft und HR ein transparentes Bild über Entwicklungen und Handlungsfelder.“ Was denn nun, jetzt doch Kontrolle? Oder ist eine Leistungsbeurteilung neuerdings ohne Kontrolle möglich?

Interessant ist ein weiteres Ergebnis der Studie, das wie folgt beschrieben wird: „Alarmierend jedoch ist: Knapp 50 % haben schon einmal wegen ihrer Führungskraft gekündigt, jeder Fünfte war kurz davor.“

Manchmal schießen mir komische Gedanken durch den Kopf:

  • Wie viel Prozent der Befragten wurden fristlos entlassen?
  • Wie viel Prozent der ehemaligen Arbeitgeber der Befragten haben sich über die Kündigung gefreut oder freuen sich gar noch immer?
  • Wie viel Prozent der Leser dieses Artikels waren schon kurz davor, ihren Chef am liebsten einmal richtig anzuschreien oder ihm Tiernamen zu geben?
  • Wie viel Prozent der Leser dieses Artikels haben schon einmal ihren Partner, die eigenen Kinder oder Vater und Mutter verwünscht?

Zwischen theoretischer Vorstellung, Verhaltensabsichten und beobachtbarem Verhalten liegen zuweilen (und manchmal auch zum Glück) Welten. Und an einer Trennung ist ohnehin meistens der andere schuld!

Bitte verstehen Sie mich nicht falsch, es gibt in Deutschland auch richtig schlechte Führungskräfte – in einzelnen Unternehmen tummeln sich diese meiner Auffassung nach sogar. Allerdings liegt die Betonung auf „auch“ und es darf keineswegs „überwiegend“ oder „nur“ heißen, wie das in der Studie suggeriert wird. Diese Aussage ist schlichtweg falsch. Ebenso ist Kontrolle nicht pauschal schlecht. Die Ergebnisse der Studie sind keineswegs repräsentativ und methodisch zeigen sich bereits beim oberflächlichen Studium deutliche Defizite. Genau darauf möchte ich hinweisen und natürlich auf unsere Leistungen.

Damit kommen wir dann zum guten Schluss: Wir führen seit über 15 Jahren Mitarbeiterbefragungen und Führungsfeedbacks durch und es gibt durchaus Verbesserungspotenziale (die gibt es immer!), aber die unzähligen Studienergebnisse bescheinigen unseren Führungskräften in Deutschland überwiegend gute Noten!