Ist Wertschätzung als „Wert“ in Leitbildern sinnvoll?

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Bevor wir uns mit der Sinnfrage beschäftigen, werfen wir einen kurzen Blick darauf, wie Wertschätzung Eingang in den Werte- und Leitlinien-Kanon von Unternehmen findet. Viele Unternehmen (und vor allem Beraterinnen und Berater) vertreten die Auffassung, dass man bei der Definition eines Leitbildes auf eine breite Beteiligung möglichst aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter setzen muss. Townhall-Meetings sind als Format dabei besonders beliebt. Sie zielen darauf ab, allen Mitarbeitenden und Führungskräften eine Stimme zu geben und sie zu Beteiligten zu machen. Vielfach wird ein Bottom-Up-Ansatz verfolgt, man lässt Werte und Leitlinien von der Basis definieren.

Bei einem solchen Vorgehen wird mit beinahe 100-prozentiger Wahrscheinlichkeit „Wertschätzung“ als „Wert“ nach oben gespült. Viele Mitarbeitende und auch Führungskräfte empfinden einen Mangel an Wertschätzung, bei einigen ist dieses Mangelempfinden ein Dauerzustand. „Ich fühle mich nicht wertgeschätzt.“ ist ein Grundbaustein in der Gefühlswelt und Kommunikation tendenziell pessimistischer und problemorientierter Menschen, die gerne und ständig klagen. Sie rauben anderen Menschen damit Energie – sehr viel Energie. Wir brauchen jedoch möglichst viel positive Energie in Unternehmen und somit viele Energiespender, die andere mit ihrem Elan und ihrer positiven Grundeinstellung motivieren und mitreißen.

Der Mangel an Wertschätzung bezieht sich grundsätzlich auf andere. Es geht nicht um die mangelnde Wertschätzung der eigenen Person oder Leistungen. Es geht um eine nicht erfüllte Erwartungshaltung an andere, die uns nach unserer eigenen Auffassung nicht genug Wertschätzung entgegenbringen.

Man kann den Mangel an Wertschätzung und das Jammern der defizitär geprägten Menschen fördern, indem man „Wertschätzung“ plakatiert oder in Mitarbeitendenbefragungen danach fragt, ob alle genug Wertschätzung bekommen. Wenn man in Unternehmen fragt, was verbessert werden sollte, steht „mehr Wertschätzung“ unter Garantie auf den ersten Plätzen. Zumeist denken dabei alle an die mangelnde Wertschätzung von oben.

Es sollte allerdings nicht darum gehen, ob mein Unternehmen (Wer soll das überhaupt sein?) mich wertschätzt, sondern ob ich meine Kolleginnen und Kollegen, meine Mitarbeitenden, meine Führungskräfte, die aus den anderen Abteilungen, meine Vorstände etc. wertschätze. Wer andere und sich selbst wertschätzt, erhält selbst Wertschätzung. Wertschätzen ist eine Tätigkeit, die jedem gut zu Gesicht steht. Insofern geht es nicht darum, eine an andere gerichtete Erwartungshaltung und einen „Mangelzustand“ zu verstärken, sondern bei jedem Individuum eine positive und wertschätzende Grundhaltung zu fördern.

Wertschätzung ist ohnehin kein „Wert“ an sich. Der Begriff sagt aus, dass wir den „Wert“ von etwas oder jemanden „schätzen“. Insofern handelt es sich eher um eine positive Grundhaltung gegenüber anderen Menschen und auch Dingen, wobei wir verschiedenste Verhaltensweisen darunter subsummieren.

Soll das jetzt heißen, dass Wertschätzung unwichtig ist? Nein, keinesfalls! Wir sind allerdings der Auffassung, dass man das Plakatieren und Abfragen von „Wertschätzung“ unterlassen und sich stattdessen auf das konzentrieren sollte, was Wertschätzung ausmacht: anderen Menschen höflich und freundlich begegnen; sich bedanken; Aufmerksamkeit zeigen und aktiv zuhören; verlässlich sein; gute Leistungen anerkennen; andere Menschen, ihre Interessen und Motive verstehen wollen; verhaltensbezogenes Feedback geben usw.