Über 52 Denkfehler, die mit einem Denkfehler beginnen (0)
Die „Kunst des klaren Denkens“ lautet ein Bestseller von Rolf Dobelli. Im Untertitel der ersten Ausgabe stand „52 Denkfehler die Sie besser anderen überlassen“. Kommafehler überlassen wir besser anderen, denn es muss aufgrund des Relativpronomens „die“ bzw. des Relativsatzes richtigerweise lauten „52 Denkfehler, die Sie besser anderen überlassen.“ Vor ein paar Wochen habe ich in einer Flughafenbücherei gesehen, dass der Fehler zwischenzeitlich korrigiert wurde.
Sie sind der Meinung, das sei altklug. Da liegen Sie richtig! Es ist mir ein besonderes Anliegen, diesen Gedanken aufzugreifen. Im Vorwort der 52 Denkfehler erfährt der Leser nämlich, dass Herr Dobelli im Jahr 2004 von Hubert Burda nach München zu einem Austausch „Intellektueller“ eingeladen wurde. Dort traf er auf Nassim Nicholas Taleb, dem Autor des, ich zitiere Dobelli, „Weltbestsellers „Der schwarze Schwan.“ … Das Buch katapultierte Taleb in die Liga der intellektuellen Weltstars.“ Wow, ein Intellektueller und ein intellektueller Weltstar treffen gleich zu Beginn schon im Vorwort aufeinander. Und die beiden saßen auch noch nebeneinander, ein intellektuelles Feuerwerk entbrannte: „Wir amüsierten uns über die systematischen Fehler, die CEOs machten. Wir lachten darüber, dass Anleger sich bei Kursen unter dem Einstandspreis kaum von ihren Aktien trennen können.“
Angefixt vertiefte sich Dobelli in sein Thema der Denkfehler und „Jahre später realisierte ich, dass ich neben meinem Job als Schriftsteller und Unternehmer ein veritables Studium der sozialen und kognitiven Psychologie absolviert hatte.“, so der Autor in aller Bescheidenheit über sich selbst. Diese Selbsteinschätzung entlarvt er jedoch nicht als einen seiner 52 Denkfehler, obwohl es sich um den so genannten „Overconfidence-Effekt“ handeln dürfte, also die totale Überschätzung des eigenen Wissens und der eigenen Fähigkeiten.
Laut Dobelli sind Denkfehler „systematische Abweichungen zur Rationalität, zum optimalen, logischen, vernünftigen Denken und Verhalten.“ Vernunft, Logik und Rationalität werden vom Denkfehlertheoretiker, wie ich ihn im Folgenden und verallgemeinernd für die dahinter stehende Denkrichtung gerne nennen möchte, gleichgesetzt und entsprechen dem vermeintlich optimalen Denken und Verhalten. Diese Erkenntnis Dobellis resultiert aus seinem eigenen Blick mit seiner eigenen Logik und seinen persönlichen Fähigkeiten. Sind sie deshalb wahr oder richtig? In jedem Fall scheint es ihm gelungen, „das Gespenst der Irrationalität“ zu verscheuchen.
Ich hatte das Glück und zugleich Vergnügen, mich bereits vor über 20 Jahren mit „rationalem Denken“ auseinandersetzen zu dürfen. Mein Doktorvater Professor Hartwig Steffenhagen lehrte mich die Grundlagen der empirischen Sozialwissenschaften und weckte mein Interesse für menschliches Verhalten und die dahinter stehenden, verhaltensbeeinflussenden bewussten und unbewussten Vorgänge. Zusätzlich begeisterte mich ein damals noch junger Professor an der RWTH Aachen namens Rüdiger von Nitzsch mit seinen Grundlagen zum „Rationalen Entscheiden“. Er räumte aus meiner damaligen Sicht endlich auf mit den Grundfesten des homo oeconomicus, diesem allseits rationalen und alleswissenden Wesen, welches einer der Grundbausteine (aus meiner Sicht eine fixe Idee) der VWL und der BWL war. Ein völlig schwachsinniges, weil weltfremdes Konstrukt, aber die Wissenschaft hielt sehr lange daran fest. Ich lernte alle möglichen Experimente und Studien kennen und viele zeigten, dass es um unsere Rationalität nicht besonders gut bestellt ist. Es wurden uns diverse Denkfehler bescheinigt. Oder mit anderen Worten ausgedrückt, bei rein rationaler Betrachtung machen wir offenkundig ziemlich viele bekloppte Dinge. Und weil der rationale Blickwinkel aus der Perspektive der Denkfehlertheoretiker immer Recht hat – die Ratio hat nämlich einen Absolutheitsanspruch – beobachten sie, wie der Rest der Menschheit permanent logische Fehler begeht.
Einige Grundlagen der Denkfehlertheorie gehen auf die Experimente von Daniel Kahneman und Amos Tversky zurück. Einen umfassenden Einblick in ihre Studien und die Sichtweise der Denkfehlertheorie gibt das äußerst lesenswerte Buch „Schnelles Denken, langsames Denken“. Die beiden erhielten für die von ihnen entwickelte „Proscept Theory“ (in Deutsch: Neue Erwartungswerttheorie) 2002 den Wirtschaftsnobelpreis. Eine wesentliche Erkenntnis der beiden Forscher ist darin zu sehen, dass wir keinesfalls die rationalen Nutzenmaximierer sind. Im Gegenteil hören wir viel zu oft auf unser „Bauchgefühl“ und dies führe permanent zu Denkfehlern und Irrtümern. Also weder homo oeconomicus noch homo sapiens.
Demgegenüber stehen andere, jedoch aus meiner Sicht leider bislang zu wenig gehörte, Forscher, die die Überlegenheit von Bauchentscheidungen und der Intuition herausstellen. Ich entschuldige mich bereits einleitend, für die unzureichende Differenzierung zwischen diesen und weiteren Begrifflichkeiten.
Ich möchte Sie mitnehmen auf eine kleine Reise durch diese schöne Fehlerwelt und sie immer wieder dazu ermuntern, diese Fehler nicht abzustellen, sondern sie weiter zu begehen. Bleiben Sie Mensch!
Ab sofort erscheint wöchentlich ein Beitrag zu einem der vermeintlichen Denkfehler, die wir tagein tagaus begehen.