Mitarbeiterbefragung „Don’t do it yourself“
Es gibt in einigen Branchen kostenfreie und von Verbänden bereitgestellte Tools, um Mitarbeiterbefragungen durchzuführen. Daher stellen sich einige Vorstände und Geschäftsführer die Frage, ob man Mitarbeiterbefragungen nach dem „Do it yourself-Prinzip“ eigenständig und mit Bordmitteln umsetzen sollte.
Als Anbieter von Mitarbeiterbefragungen können und wollen wir diese Frage natürlich nicht „neutral“ beantworten. Daher beginnen wir mit einer Gegenfrage: Sollte man bei der Renovierung seines Hauses die Elektroarbeiten in Eigenregie vornehmen?
Von Strom lassen viele Menschen zurecht ihre Finger. Ein Stromschlag könnte schlimme Folgen haben. Bei Mitarbeiterbefragungen erscheint das Risiko gering und die eigene Kompetenz sollte doch wohl für die Durchführung einer Befragung ausreichen. Wenn einem Fragenkataloge und Auswertungen auf Knopfdruck zur Verfügung gestellt werden, kann das doch jeder, oder?
Elektriker ist ein Ausbildungsberuf und wir wollen für unsere Elektroinstallation nicht den Lehrling im ersten Ausbildungsjahr, sondern einen alterfahrenen Handwerksmeister. Es gibt den Ausbildungsberuf der Fachangestellten für Markt- und Sozialforschung, wobei professionelle Mitarbeiterbefragungen typischerweise von studierten Sozialwissenschaftlern begleitet werden.
Sollen Mitarbeiterbefragungen ein Bestandteil eines permanenten (Kultur-)Entwicklungsprozesses sein, reicht eine Qualifikation in der empirischen Sozialforschung nicht aus. Zusätzlich sind vielfältige und langjährige Erfahrungen in der Begleitung von Change- und Transformationsprozessen unabdingbar. Einen solchen Profi haben die meisten Unternehmen nicht in ihren Reihen.
Überdies sollte man kritisch prüfen, ob wirklich Kosten gespart werden, wenn man ein kostenfreies Tool für die Durchführung von Mitarbeiterbefragungen angeboten bekommt. Denn Kosten fallen trotzdem an, allerdings sind diese „eh da“, wodurch sie nicht so sehr ins Gewicht fallen. Diese „Eh-da-Kosten“ sind aber weitaus höher, als man gemeinhin glaubt. Mitarbeitende müssen sich in das Tool einarbeiten. Die vermeintlich leichte Zusammenstellung der Fragen wird zur Sisyphusarbeit, weil unterschiedliche Interessen unter einen Hut gebracht werden müssen. Das ist sehr zeitaufwendig. Auch das erforderliche Datenmanagement ist für viele ein Terrain, in dem sie sich nicht gut auskennen und das ebenfalls oft mit einem erheblichen Stundeneinsatz einhergeht. Die Liste ließe sich noch verlängern und soll lediglich als Hinweis dienen, dass viele Personentage an anderer Stelle fehlen.
Noch gravierender sind qualitative Aspekte. Die Zusammenstellung der Fragen erfolgt oft mit einer breiten Beteiligung. Häufig fehlen allen Beteiligten die erforderlichen Fachkenntnisse und das Know-how – was sie jedoch nicht vom „Mitgestalten“ abhält. Zusammenhänge zwischen den einzelnen Fragestellungen und Veränderungs-, Transformations- und Kulturentwicklungsprozessen sind regelmäßig unbekannt. Der Unterschied zwischen „guten“ (= wirksamen) und „weniger guten“ Fragestellungen wird schlussendlich nach Gutdünken getroffen.
Wer für das Ergebnis bei den einzelnen Fragestellungen verantwortlich ist, wird im Zuge der Konzeption einer Mitarbeiterbefragung regelmäßig nicht thematisiert. Fallen die Ergebnisse nicht so gut aus, suchen alle die Verantwortlichen bzw. Schuldigen. Die unten schauen nach oben und lokalisieren die Ursache für die Ergebnisse beim Vorstand oder den höheren Führungsebenen, die oben schauen nach unten und sehen ihre Führungskräfte in der Verantwortung und sich zudem mit einer ständig wachsenden Anspruchshaltung konfrontiert. Bei der internen Zusammenarbeit liegt das Problem ohnehin immer bei den jeweils anderen.
Obwohl die Frage, wer für welches Ergebnis bei welcher Frage die Verantwortung trägt, nicht geklärt ist, werden Folgeprozesse im Anschluss an die Mitarbeiterbefragung gestartet. Bei besonders schwachen Ergebnissen gibt man diesem Prozess sehr viel Zeit, es läuft schleppend und oft kommt nur wenig Messbares heraus. Viele schaffen den Übergang vom Projekt „Mitarbeiterbefragung“ zum kontinuierlichen Entwicklungsprozess nicht oder verfolgen dieses Ziel nicht einmal.
Der Rheinländer sagt „Mer han et net vum ussjevve, sondern vum behale“ (Übersetzung: „Wir haben es nicht vom Ausgeben, sondern vom Behalten“). Deshalb ist jeder nicht ausgegebene Euro ein guter Euro, das spricht eindeutig für „do it yourself“! Der Rheinländer sagt aber genauso: „Wat nix koss, is och nix“ (Übersetzung: „Was nichts kostet, ist auch nichts“) und beim Handwerker gilt: „Wer billig kauft, kauft zweimal!“. Bei Mitarbeiterbefragungen ist es weitaus mehr als nur zweimal, daher „don’t do it yourself!“