Et hätt noch emmer jot jejange (19)
Der siebzehnte Denkfehler im Büchlein über die 52 Denkfehler von Herrn Dobelli nennt sich „Die Regression zur Mitte“. Schon in der Zweitüberschrift werden die von allen Denkfehlern besonders befallenen Zielgruppen angesprochen: „Die zweifelhafte Leistung von Ärzten, Beratern, Coachs und Psychotherapeuten“.
Im Folgenden erzählt Dobelli in mittlerweile schon gewohnter Art und Weise einige Beispiele, um die Denkfehler plakativ zu verdeutlichen (schöne Grüße von und an das Story Bias).
Ein erster Beispielmann leidet unter Rückenschmerzen, „mal stärker, mal schwächer“. Jedes Mal, wenn es gar nicht mehr ging, „fuhr ihn seine Frau zum Chiropraktiker. Am Tag danach ging es ihm jeweils deutlich besser.“
Ein zweiter Mann spielt Golf, sein Spiel schwankte und jedes Mal, wenn es besonders schlecht war, nahm er eine Stunde beim Golflehrer, „und siehe da, das nächste Mal schlug er wieder besser.“
Der dritte Mann war „Anlageberater bei einer renommierten Bank“. Er „erfand eine Art Regentanz, den er immer dann im Klo aufführte, nachdem seine Performance an der Börse in den tiefroten Bereich gerutscht war. So absurd er sich dabei vorkam, so förderlich schien ihm der Tanz: Seine Performance an der Börse verbesserte sich nachweislich.“
Ich stimme Ihnen vollumfänglich zu, wenn Sie der Ansicht sind, dass alle drei Männer einen Sockenschuss haben. Der Denkfehlertheoretiker lässt uns wissen, dass alle drei dem „Regression-zur-Mitte-Irrtum“ unterliegen. Endlich kann ich der Denkfehlertheorie zustimmen, wobei ich es nicht für einen Denkfehler halte, sondern eher eine allgemeine Bildungslücke darin sehe. Statistik und der Umgang mit Wahrscheinlichkeiten müssen endlich einen festen Platz in der Schulbildung einnehmen.
Wenn gerade einmal wieder irgendwo eine Rekordtemperatur erreicht wurde oder es eine Rekordmenge vom Himmel regnete, wie hoch ist dann wohl die Wahrscheinlichkeit, dass dieses außergewöhnliche Ereignis gleich am folgenden Tag nochmals von einem noch außergewöhnlicheren Ereignis übertroffen wird? Sie haben natürlich wieder vollkommen Recht, die Wahrscheinlichkeit täglich neuer Rekordwerte nimmt ab und es ist deutlich wahrscheinlicher, dass es am folgenden Tag wieder in Richtung Normalität tendiert. Werte schwanken in der Regel um einen bestimmten Wert herum, also um die für einen Monat normale Temperatur, um die übliche Regenmenge, die normale Intensität chronischer Schmerzen, das gilt gleichermaßen für Erfolge im Berufsleben oder beim Sport.
Diese Schwankungen um einen mittleren Wert schließen nicht aus, dass auch der mittlere Wert sich im Zeitablauf nach oben oder unten bewegt. Die Bewegungen des mittleren Werts resultieren jedoch üblicherweise aus vielen Schwankungen einzelner Werte und es dauert für gewöhnlich etwas länger, bis sich dieser mittlere Wert verändert. Oder mit anderen Worten, man verbessert sein Handicap sukzessiv, chronische Schmerzen nehmen für gewöhnlich langsam zu oder auch ab, seine Ausdauerleistung steigert man nicht von heute auf morgen usw.
Soweit zur „Normalität“, von der es selbstverständlich immer auch Ausnahmen gibt: die sogenannten Ausreißer; also der explosionsartige Anstieg des DAX oder der Leistung eines Sportlers, ab und an handelt es sich dabei um unnatürliche Effekte oder Doping.
Als Sinnsucher sind wir auf der Suche nach Ursache-Wirkungszusammenhängen und manchmal finden wir auch dort welche, wo es gar keine gibt, sondern lediglich die üblichen Regeln der Wahrscheinlichkeit und Statistik gelten. Es geht auf und ab und Schwankungen sind normal. Sie passieren und geschehen oft ohne wirklichen Grund, rein zufällig.
Wenn also einmal wieder ein außergewöhnlich schlimmes Ereignis eintritt, es im Job katastrophal läuft etc., dann wissen Sie ab jetzt, dass der Kölner völlig Recht mit seinem Motto hat. Denn über kurz oder lang wird es besser und et hätt noch emmer jot jejange!
Fazit: Gehen Sie ruhig einmal zum Arzt, wenn es Ihnen schon überdurchschnittlich gut geht. Oder holen Sie sich einen Unternehmensberater ins Unternehmen, wenn es gut läuft. Wenn es dann besser wird, haben Sie entweder einen sehr guten Arzt oder einen tollen Berater. Vielleicht lag es aber auch an ganz anderen Dingen oder es waren nur die üblichen Schwankungen und damit reiner Zufall.