Die hören nicht auf mich
Ich lese gerne die Probleme und Empfehlungen in der Rubrik „Jobcoach“ auf www.sueddeutsche.de. Es geht um Miriam. Miriam, eine examinierte Altenpflegerin, „ist weisungsbefugt“ und „es gibt zwei Kollegen“, die ihr „das Leben schwer machen“. Die beiden sind nur Altenpfleger, wie extra betont wird, und haben „nur eine kürzere Ausbildung gemacht“. Die beiden lassen sich von der noch jungen Miriam nichts sagen und wollen aus Miriams Sicht nicht akzeptieren, dass Miriam nun ihre Vorgesetzte und ihnen gegenüber weisungsbefugt ist. Miriam hat „das Ganze auch schon mit ihrer Vorgesetzten besprochen“. Die beiden Altenpfleger machen aber weiterhin nicht das, was sie aus Miriams Sicht machen sollen, sondern gehen, um mit Miriams Worten zu sprechen, „nun … einfach etwas subtiler vor“. Daher wendet sie sich an Christine Demmer, SZ-Jobcoach.
Soweit die Ausgangslage und die Empfehlung von Christine Demmer beginnt so: „Eigentlich ist es die Aufgabe Ihrer Vorgesetzten, allen Teammitgliedern klarzumachen, wer wem gegenüber weisungsbefugt ist und was das konkret im Arbeitsalltag bedeutet.“
Schon dieser erste Satz löst bei mir inneren Widerstand aus. Warum ist es bitteschön Aufgabe der Vorgesetzten, das allen Teammitgliedern klar zu machen? Fällt das nicht in Miriams eigenen Verantwortungsbereich? Kann Miriam nicht für sich selbst sprechen? Hat die Vorgesetzte den Rahmen nicht schon lange dadurch klar gemacht, dass Miriam befördert wurde? Sollte Miriam nicht lernen, sich durchzusetzen? Warum fragt Miriam sich nicht, was sie daran hindert, mit den beiden zu sprechen? Kennt Miriam die Gründe der beiden? Warum sträuben die beiden sich, Miriams Anweisungen zu befolgen? Welche Argumente liefern die beiden für ihr Verhalten? Die Liste möglicher Fragen, mit denen Miriam sich beschäftigen sollte, ist ziemlich lang.
Die Antwort des SZ-Jobcoachs geht aber wie folgt weiter: „Wenn zweifelsfrei feststeht, dass Sie die Anweisungen geben sollen (sind Sie ganz sicher?), geht kein Weg daran vorbei: Sie müssen mit den beiden Kollegen sprechen.“ An der Stelle schießt mir ein „Jeck, ehrlich, soll Miriam wirklich mit denen sprechen?“ durch den Kopf, gleich gefolgt von „Das ist eine geradezu brillante Idee, auf sowas kann auch nur ein erfahrener Jobcoach kommen: miteinander sprechen! Wer hätte das gedacht?“
Im Weiteren erfährt Miriam vom Jobcoach obendrein, dass sie sogar zuerst mit den Mitarbeitern hätte sprechen und nicht gleich zu ihrer Chefin hätte rennen sollen. Miriam solle den Kollegen sagen, dass sie es richtig machen möchte und dass sie dazu die Unterstützung des Teams braucht. Es würde zwar Mut erfordern, als „junger Mensch in ein solches Gespräch zu gehen“, doch nur so können sie den Respekt ihrer Kollegen und ihrer Chefin gewinnen.
Liebe Miriam, ehe Du Deinen Mitarbeitern etwas unterstellst, wie beispielsweise ein gegen Dich gerichtetes, subtileres Vorgehen oder eine böswillige Ignoranz Deiner natürlich immer goldrichtigen Anweisungen, solltest Du der durchaus hilfreichen Regel folgen, erst verstehen zu wollen, um anschließend selbst verstanden zu werden. Du hast Deine Mitarbeiter und ihre Motive bislang nicht verstanden, Du hast scheinbar bisher nicht einmal versucht, sie zu verstehen. Du hast aber sehr wohl eine klare Meinung zu ihrem Verhalten und ihren Motiven. Wenn Du also ihr Verhalten ändern möchtest, fang bei Dir und Deinem Denken an.