Alles außer Kontrolle, außer mir (17)

Written by Admin. Posted in Denkfehler, News

Der fünfzehnte Denkfehler nennt sich „Kontrollillusion“ und es wird verkündet: „Sie haben weniger unter Kontrolle, als Sie denken“. „Die Kontrollillusion ist die Tendenz, zu glauben, dass wir etwas kontrollieren oder beeinflussen können, über das wir objektiv keine Macht haben.“

Leider gehen die Ausführungen zu diesem Denkfehler völlig an der Realität vorbei. Gemeint sind nämlich nicht etwa die Partnerin, ihr Verhalten und ihre Aussagen, die sich aus Sicht des Mannes in der Tat jeglicher Kontrolle und zuweilen auch jeglichem Verständnis entziehen. Stattdessen dient als Beispiel „ein Mann mit einer roten Mütze auf einem Platz“, der jeden Tag um kurz vor 9:00 Uhr für exakt 5 Minuten seine Mütze wild hin- und herschwenkt und sodann wieder von Dannen schreitet. Als er von einem Polizisten gefragt wird, was er denn da eigentlich machen würde, antwortet er, dass er die Giraffen vertreiben würde. Der Polizist erwidert, dass es hier überhaupt keine Giraffen geben würde und der Mann weist auf den Erfolg seines Tuns hin: „Ich mach eben einen guten Job.“

Eventuell denken Sie nun, was hat dieser Denkfehlertheoretiker genommen und vielleicht wollen Sie das Zeug auch einmal nehmen. Ich rate davon ab, es führt offenkundig zu Verwirrung und Sie denken komisches Zeug. Da gerät dann schnell alles außer Kontrolle und Sie unterliegen einer Kontrollillusion.

Wir erfahren, dass manche Menschen im Kasino die Würfel möglichst kraftvoll werfen, „wenn sie eine hohe Zahl brauchen, und möglichst sanft, wenn sie auf eine tiefe hoffen“. Von Mensch-ärgere-Dich-nicht kennt man das auch. Es sei denn, man ist jung und von jeglichem Aberglauben befreit oder noch nicht von Denkfehlern befallen, dann wirft man die Würfel öfter so, dass alle Männchen umfallen – das macht schließlich Spaß! Sind derart komische Verhaltensweisen und Denkfehler nur etwas für Alte?

Die Kontrollillusion ist selbstverständlich wissenschaftlich bewiesen und „entdeckt wurde sie (Anm. des Verfassers: „angeblich!“) 1965 von den beiden Forschern Jenkins und Ward“. Die beiden haben ein Experiment mit Lichtschaltern und Lampen gemacht und „selbst in den Fällen, in denen die Lampe vollkommen zufällig ein- und ausschaltete, waren die Versuchsteilnehmer überzeugt, durch das Drücken der Schalter das Licht irgendwie beeinflussen zu können.“

Diese Kontrollillusion bringt interessante Auswüchse mit sich. In Manhattan gibt es an Ampeln angeblich Knöpfe ohne Funktion. Die sollen den Menschen lediglich ein besseres Gefühl geben und ihnen vermitteln, dass sie einen Einfluss auf die Ampelschaltung hätten. Da lobe ich mir die Holländer, die haben auch solche Knöpfe und die funktionieren sogar, und zwar sehr gut. Ich bin da öfter mit dem Rennrad unterwegs, man drückt und die Autos müssen stehen bleiben und zwar deutlich schneller als das bei uns in Deutschland der Fall ist. Vielleicht ist das der Grund, warum in Holland so viele mit dem Rad unterwegs sind.

Wir lesen zudem, dass die „Tür-auf-Tür-zu“-Knöpfe in Aufzügen ebenfalls oft funktionslos wären. Die Temperaturregulierung in Großraumbüros diene häufig auch nur dazu, den Menschen die Illusion zu vermitteln, sie könnten die Temperatur regeln. Was will uns die Denkfehlertheorie mit alldem vermitteln: Wir sollen lernen, uns nur noch auf die wenigen Dinge zu konzentrieren, die wir „wirklich beeinflussen können“.

Diese Empfehlung ist grundsätzlich durchaus sinnig, allerdings nicht mit Blick auf die verwendeten Beispiele. Wenn Sie ab jetzt nicht mehr auf Knöpfe drücken, werden Sie nie herausfinden, welche Knöpfe ohne Wirkung sind und welche mit. Das ist genau die Stelle, bei der es beginnt, spannend zu werden. Nämlich wenn wir die Kontrollillusion mit Handlungsimpulsen und dem Handeln verbinden. Wir wissen in vielen Situationen nicht, wie es kommt, was passieren wird. Wenn wir in all diesen Fällen tendenziell davon ausgehen würden, dass wir keinen Einfluss hätten, dann würden wir zum Nichtstun tendieren. Wir würden wie die Faultiere an Bäumen hängen und den Tag verschlafen – es könnte schließlich etwas passieren, wenn wir uns bewegen. Wir blieben tatenlos, und zwar auch in den vielen Fällen, in denen wir das Ergebnis hätten beeinflussen können.

Der Vorteil dieses Denkfehlers besteht offenkundig darin, dass wir handeln und aktiv werden, dass wir Dinge versuchen und etwas anpacken, wenn wir unseren Einfluss überschätzen. Interessanterweise wird unser Einflussbereich, auf den wir uns durchaus konzentrieren sollten, hierdurch immer größer. Folgen Sie daher bloß nicht der folgenden Empfehlung der Denkfehlertheoretiker: „Konzentrieren Sie sich auf die wenigen Dinge, die Sie wirklich beeinflussen können – und von denen konsequent nur auf die wichtigen. Alles andere lassen Sie geschehen.“ Wenn Sie dieser Empfehlung folgen, wird Ihr Einflussbereich mit und mit immer kleiner und Ihr Umfeld und Ihre Lebensbedingungen werden andere gestalten. Die anderen leben nämlich weiter mit diesem Denkfehler und tendieren zum Handeln und damit zum Gestalten. Denken Sie also besser noch mal drüber nach.

PS: Es fehlt noch das „außer mir“ aus der Überschrift, also die Selbstkontrolle. Sie haben die Kontrolle über Ihre Gedanken, Sie sind sozusagen Architekt Ihrer Gedanken, Sie bestimmen, was sie stört und was sie nicht stört. Sie können frei darüber entscheiden, ob Sie auf jede eingehende Nachricht auf Ihrem Smartphone sofort reagieren und sich damit von anderen steuern lassen oder ob Sie Ihre Zeit selber gestalten. Sie werden nicht gehandelt, Sie können frei und eigenverantwortlich handeln, oder es eben lassen. Und das ist keine Illusion, wenn auch für viele mittlerweile illusorisch. Die wesentliche Illusion besteht darin, etwas nicht beeinflussen zu können.